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Vernissage zur Ausstellung "Stadt, Land, Fluss"

vom Freitag, 6. Juli 2012
Laudatio zur Ausstellungseröffnung
Alfred Görstner (Saalfeld)
In der Stadthalle Bad Blankenburg
am 6. Juli 2012 um 18 Uhr

Sehr verehrte Kunstfreunde und Freunde des Künstlers und der Stadthalle,

(hier stand jetzt auf meinem Zettel noch "Lieber Alfred Görstner",)
trotzdem wollen wir hier heute, wenn auch ohne den Urheber, die gemalten und gezeichneten Impressionen eines Architekten in den Mittelpunkt unserer Betrachtungen stellen.
Es ist eigentlich nichts Besonderes, eher Alltag, dass Architekten zum Stift greifen und Ideen und Erlebnisse skizzieren und für spätere Zeiten als Erinnerung festhalten. Und außerdem: Die Architektur gilt als die Mutter aller Künste.
Ich erinnere mich an meine erste Begegnung mit den freien Zeichnungen des Architekturprofessors Helmut Trautzettel am Ende der 1970er Jahre in Magdeburg und Wernigerode und hatte sogar noch ein Faltblättchen in meinem Archiv, so dass ich sagen konnte, auch bei Alfred Görstner hat es so angefangen. Ist ja auch nicht verwunderlich, während seines Studiums an der Hochschule für Architektur und Bauwesen in Weimar war der wiederum ebenfalls zeichnende und malende Architekt Hubert Schiefelbein, Plastik hat er auch gemacht, sein Lehrer. Und der Weimarer Maler und Grafiker Gottfried Schüler, der bekannt ist mit seinen streng gebauten, fast architektonisch gesetzten Landschaften, führte ihn in die Spielregeln bildender Kunst ein. Seit seiner Promotion 1973-76 zeichnet Alfred Görstner, es gibt aus dieser Zeit Bleistift- und Kreidezeichnungen, vor allem Reiseskizzen, die er berufsbegleitend nennt. Hier liegen die Wurzeln im Sehen, Entwerfen, Bauen, Kontrollieren, Wiedersehen. Und hier kommt ein entscheidender Faktor gegenüber der rein beruflich orientierten Zeichnung hinzu: Die Verbindung mit der Sensibilität der Sinne, die eine der Grundvoraussetzungen für Kunst überhaupt ist. Auch wenn Alfred Görstner immer wieder mal, trotz Promotion, studiert hat, so wurde er noch Fachingenieur für Denkmalpflege und zuletzt, als schon gut 60jähriger wurde er zum Master of Membrane Structures, Archineer (erinnert uns vom Klang her ja an Architekt und Ingenieur), was eine neue moderne Bauweise meint, ernannt., In dieser Zeit hat er das Zeichnen nicht gelassen. Und beachtenswerte Bauwerke stammen ja auch von ihm, z.B. das Seehotel in Zeulenroda und dortselbst der Bauerfeind-Tower und natürlich viele gelungene denkmalpflegerisch gebundene Bauten. Ich glaube so etwas macht und kann nur ein von Grund auf kreativer Mensch leisten, als den ich Alfred Görstner erst jüngst kennen lernte. Und kein Wunder deshalb auch, dass es nicht bei den Zeichnungen blieb. Seit 2000 bezieht er verstärkt die Farbe in seine Architekturzeichnungen und in die Aquarellmalerei ein. Hier gilt das Wort ?berufsbegleitend? dann nicht mehr und seine Zeichnungen treten aus dem Bannkreis der Reiseskizzen heraus. 2004 wird er noch mutiger und beginnt seine Versuche in freier Acrylmalerei. Das Bestaunenswerte ist, dass er gleichzeitig mit seiner Freizeitkunst, nennen wir sie erst einmal so, auch in seinem Beruf immer Neues beginnt, so übernimmt er mit seinem Büro und dem Stab seiner Mitarbeiter ab 2001 auch Aufgaben der Innenarchitektur oder wird 2006 Fachplaner für Planen und Bauen mit Holz. Man weiß gar nicht so recht, worauf man sich zuerst stürzen soll, wenn man ihn gerade kennengelernt hat. Also beschränke ich mich jetzt auf die Dinge, die wir hier sehen können.
"Notate eines Architekten" könnte die Überschrift für die gesamte Ausstellung heißen. Görstner gab ihr den Titel: "STADT - LAND - FLUSS".
Die Arbeiten, die wir hier sehen, gründen im wachen Sehen und Aufnehmen, dem Verwandeln in eigene Sicht und Form, sie stehen immer in einem schöpferischen Wirklichkeitsbezug. Der eine oder andere von Ihnen, verehrte Besucher, wird vielleicht schon beifällig genickt haben und kommentierte etwa"So habe ich das auch in Erinnerung." Ich denke dabei an die thüringischen Städte und Burgen wie Greiz, Erfurt, Bad Lobenstein, die Burgruine Liebenstein und andere. So ein Kommentar ist aber wohl eher touristisch geprägt und kommt den eigentlichen Aufgaben der Kunst noch nicht ganz nah. Albrecht Dürer, dessen Frühwerk gerade in Nürnberg mit einer großen Ausstellung gefeiert wird, hat einmal diesen seinen Grundsatz postuliert: "Denn wahrhaftig steckt die Kunst in der Natur, wer sie heraus kann reißen, der hat sie." Also, wer ein Bild von der Natur zeichnen kann, der hat die Kunst? Das wäre zu kurz gesprungen. Dürer sagt auch: "Kein Mensch kann nur aus dem eigenen Sinn heraus ein schönes Bild schaffen, er muss den Gegenstand erst vorher durch tiefes Eindringen in sein Gemüt voll erfasst haben." Und dann beklagt er sich, "dass ? bei den jetzigen Zeiten" (also im 16. Jahrhundert) "viele Maler der Lernung notdürftig wären, denn sie ermangeln der rechten Kunst ?". Ich will damit andeuten, dass der Streit, was Kunst sei, doch schon sehr alt ist und dass wir im 21. Jahrhundert natürlich auch ganz andere Maßstäbe haben, bis hin zu dem oft missverstandenen Zitat von Joseph Beuys, dass jeder Mensch ein Künstler sei. Das, was Alfred Görstner so gern, zunächst nur für sich tut, ist ja nur eine der unzähligen Spielarten, sich künstlerisch zu betätigen. Der Altmeister der abstrakten Kunst in Deutschland, Willi Baumeister, über den ich auch einmal ein kleines Büchlein im Verlag der Kunst machen durfte, sagte "Kunst ist keine Beschäftigung, Kunst beschäftigt immerwährend den Künstler." Görstner lässt sich offensichtlich gern von der Kunst beschäftigen und sieht sich dabei immer noch als Lernenden und vor allem als Suchenden, denn die Autodidakten haben es schon ein klein wenig schwerer, als die an Akademien ausgebildeten Künstler. Er nahm inzwischen mehrfach an Symposien und Workshops u.a. in Bad Reichenhall, Nürnberg und Kaiserslautern teil. Hier hat er Profis nicht nur über die Schulter geschaut, z.B. dem Österreicher Erwin Kastner, der sehr effektvoll mit den Aquarellfarben arbeitet. Kastner sagt, dass die Zeichnung für ihn die Basisarbeit ist und er die Farbe als Gefühlsausdruck sieht. Er ist Mitbegründer des Spontan Realismus und entwickelt seine Aquarelle oft aus einem Farbfleck heraus zu skizzenhaft hingehauchten Werken. Seine Kenntnisse vermittelt er u.a. in Bad Reichenhall als Dozent für Malerei. Voka, ebenfalls ein Österreicher und ebenfalls ein sogenannter Spontanrealist fällt mit seinen knalligen Farben sofort ins Auge. Neben seinen Landschaften gibt es eine Reihe von Köpfen, bei denen es ihm nicht um das Abbild, sondern um sein Erlebnis mit dieser Person geht. Der dritte im Bunde der offensichtlich entscheidenden Lehrer für Alfred Görstner ist Bernd Klimmer, bei dem er in Kaiserslautern gearbeitet hat. Auch Klimmer arbeitet sehr mit Effekten und knalligen Farben und bietet die Effekte als Lernziel ausdrücklich in seinen Lehrgängen an. Damit habe ich zwar ein paar Probleme, weil um die Entäußerung der Kunst zu fürchten ist, aber wenn damit, mit den Effekten, die Vermittlung bestimmter Techniken gemeint ist, kann ich es hinnehmen. Auch bei Bernhard Vogel, der österreichische Maler heißt wirklich so, hat Görstner Entscheidendes in Nürnberg gelernt. Warum habe ich versucht, die vier Lehrer hier ganz kurz darzustellen, nachdem ich sie per Internet-Klick kennengelernt hatte und auch gelesen habe, dass Bernd Klimmer im September in Arnsgrün bei Alfred Görstner in seinem Akademiehaus ein Seminar halten wird? Es ist ganz einfach, weil sich das, was Alfred Görstner von den Workshops mitbrachte, hier in der Ausstellung wiederfindet. Hier die duftigen Aquarelle, da die knalligen Farben ohne jede Scheu und schließlich und endlich auch das immer tiefere Eindringen in die Materie, vor allem in der Landschaft. Da wo sich die Zeichnung zu einer gewissen Ruhe diszipliniert, sich Detailreichtum reduziert ist Görstner, so wie ich es sehe, am Weitesten gekommen.
Da sind gleich am Anfang der Ausstellung die weit reduzierten Darstellungen von zwei Oliven-Stämmen zu sehen und eine Felswand, die der Künstler in Marokko erlebte einschließlich der expressiven Landschaft. Überhaupt nicht mehr detailverliebt gibt Görstner in großzügiger Malweise seine Intentionen wieder.
Gleich um diese Stellwand herum finden wir seine New York Bilder. Freilich, hier schlägt auch das Herz des Architekten, hier geht er wieder ins Detail. Eines von den Bildern aus der City ist fast reliefartig aufgebaut. Auch hier experimentiert Görstner, um herauszufinden, mit welchen formalen Mitteln neue Inhalte impliziert werden könnten. Die großen Bildtafeln mit dem Erfurter Dom und der Stadtansicht von Bad Reichenhall deuten unübersehbar an, dass Görstner die mittelalterlichen Städte als Architekt und als Maler in seinem Herzen trägt. Nicht minder wichtig ist ihm die offene Landschaft, die er im thüringischen Vogtland bis hin zum Rhein und anderswo findet und die er in frischen Aquarellen festhält. Die Zeichnung, das Fundament aller Kunst, ist in unserer Ausstellung nur mit wenigen Beispielen vertreten.
Sie haben es schon lange bemerkt, einen wichtigen Anreger habe ich noch nicht genannt, es ist Lyonel Feininger, dessen kristalline Strukturen in einigen Malereien bei Görstner auftauchen. Interessant war für mich war, nur so nebenbei, dass ich gestern auf der dOCUMENTA (13) in Kassel bei Konrad Zuse, dem Vater aller Computertechnik und Freizeitkünstler ähnlich an Feininger geschulte Strukturen fand.
Anders verhält sich Görstner bei seinen Bildern, in denen er quasi einen roten Keil in die Städtestruktur einbringt. Die Idylle wird so leicht in Frage gestellt. Und überhaupt, auch das haben Sie bemerkt, ist die Farbe Rot in seinen Bildern mit den in den Himmel wachsenden Burgen, den komplexen mittelalterlichen Stadtkernen, der marokkanischen Wüste nebst Atlasgebirge und den modernen Megapolen
mit ihren Wolkenkratzern zentrales Ausdrucksmittel.
Alfred Görstner hatte nun schon seit 2006 verschiedene Ausstellungen und hat seine eigene Galerie in der Saalfelder Pfortenstraße. Er wird weiter Suchender und Lernender bleiben und dabei selbst in seinem Atelier in Fischersdorf und Arnsgrün in Lehrgängen weitergeben, was sich bei ihm schon gefestigt hat. Das macht wohl seine Produktivität aus, für die ich ihm weiterhin viel Spaß an der Kunst wünsche. "Darum lernt alle recht verstehen", sagt Albrecht Dürer an die Maler gewandt und ich schließe uns alle damit ein. Viel Spaß beim Betrachten der Bilder und beim Lernen im Dürer?schen Sinne. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Jörg-Heiko Bruns
Kunstwissenschaftler / Publizist
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